„One World“ von Karl Jenkins – Konzerte am 1./2. Feb. 2025

Repariert die Welt

Ein hochaktuelles Oratorium haben der Solitude-Chor und das Sinfonieorchester der Universität Hohenheim am ersten Februar-Wochenende präsentiert, denn Karl Jenkins beschreibt in seiner Komposition „One World“ eine Vielzahl der aktuellen, globalen Probleme unserer Erde.
Das Werk beginnt mit einem musikalischen Urknall und den Worten aus dem Johannes-Evangelium „Am Anfang war das Wort“. Dem schließt sich der Turmbau zu Babel an. Hier hat Jenkins den Ursprungsmythos der Entstehung der verschiedenen Sprachen vertont. Zunächst rappt der Chor gemeinsam mit großer Intensität, um dann im zweiten Teil, als Gott jedem Menschen eine andere Sprache gegeben hat, hilflos versucht, mit dem anderen zu kommunizieren. Aber um zu zeigen, dass es in allen Sprachen und Kulturen den Wunsch nach „einer Welt“ gibt, singen die Chorsängerinnen und -sänger in „Unus Mundus“ dann in unzähligen verschiedenen Sprachen den immer gleichen Satz „wir sind eine Welt“.

Doch das Werk ist auch hoch politisch: im Gedicht „Bury me in a free land“ geht es um die Verletzung der Menschenrechte und Sklaverei durch viele Jahrhunderte. Dass Jenkins hier auch einen tagesaktuellen Bezug sieht, hört man an den Rufen des Chores „George Floyd matters – Black lives matter“.
Neben Menschenrechten und der Warnung vor Fake-News steht aber vor allem der Raubbau an der Natur im Fokus der Kompostion: Tiere sterben aus, Wälder werden vernichtet, Gletscher verschwinden, die Pegel der Meere steigen, Wirbelstürme wüten, Wälder brennen, Dürren entstehen – und dies alles verursacht durch den Menschen.

Mit einer hebräischen Meditation „Tikkun Olam“ („Repariert die Welt“) ruft Jenkins uns zu einem „Umdenken“ auf und gibt eine idealisierte Vision mit auf den Weg: „The golden age begins anew“ – eine Zukunft, in der wir die Natur und den Menschen achten.

Karl Jenkins bedient sich in seinem Werk einer schier unglaublichen Vielzahl verschiedener Stilmittel. Der Chor kann alle Register ziehen: Schreien, Sprechgesang, extrem hoch, extrem tief. Im 8. Satz „Savitur“ schreibt Jenkins dem Chor sogar noch eine ganze Choreographie in die Partitur.

Und auch das Orchester ist in höchstem Maße gefordert: rhythmisch mitunter extrem komplex, von den tiefsten Instrumenten (Kontrafagott, Bassklarinette und Tuba) bis hoch zur Piccoloflöte ist alles besetzt und mit anspruchsvollen Aufgaben versehen, die auch immer wieder von virtuosen Soli gekrönt werden (allen voran 1. Geige und Trompeten).

Ganz besonders gefordert sind die fünf Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger, die mal wie in einer Bigband spielen, dann wieder ganz „klassisch“ mit Pauken, Becken und großer Trommel, um dann gleich wieder indische oder japanische Klänge zu produzieren oder virtuos auf Xylophon und Glockenspiel oder auf Instrumenten aus fernen Ländern spielen, die man nur selten auf unseren klassischen Konzertbühnen zu sehen bekommt (Udu, Riq, Darbuca, Shakere und vieles mehr).

Das Publikum bekommt mit „One World“ ein hochkomplexes, aber umso kurzweiligeres Werk geboten, das eine gekonnte Mischung aus beeindruckenden Texten ist, und Dutzende verschiedene, musikalische Stile beinhaltet.
Dies wurde alles klanglich wunderschön und präzise dargeboten vom Solitude-Chor und dem Sinfonieorchesters der Universität Hohenheim sowie von der Sopranistin Miriam Burkhardt, die die vielen Stile souverän beherrschte und dabei überirdisch schöne Klänge produzierte – das Ganze unter der bewährten Leitung von Dirigent Klaus Breuninger.
Das Publikum war restlos begeistert und forderte noch eine Zugabe ein.

Bildquellen: Florin Walter; Text: kbreuni